Was bringt uns eine enge Zusammenarbeit mit den Wachsherstellern und was nimmt uns diese weg?
Jedem, wer egal was mit dem Präparieren von Ski zu tun hat, ist bewusst, dass ohne eine enge Zusammenarbeit mit den Wachsherstellern kein einziges Paar von Ski gewachsen werden kann. Das Präparieren von Renn-Ski ist so komplex geworden, dass die Forschung, Entwicklung und das Testen von Wachsen und dem dazugehörigen Zubehör, die von den Wachsherstellern unternommen wird, für einen präzis gewachsenen Ski unabdingbar ist. Von diesem enormen Aufwand an Geld und Ressourcen profitiert also nicht nur der Leistungssportler, der in der nächsten Saison wieder um ein paar Sekunden schneller sein kann, sondern auch der Hobby-Sportler und Tourist, die vielleicht weniger Probleme mit klebendem Schnee in der Steig- sowie Gleitzone haben.
Es ist relativ übersichtlich, was die Forschung, Entwicklung, Testen, was der enorme Aufwand an Geld und Ressource uns – Nutzern oder Sportlern – bringt. Ähnlich übersichtlich ist die Antwort auf die Frage, was der enorme Aufwand den Wachsherstellern bringt: neue und bessere Produkte, Vorsprung durch Technik, mehr Prestige, höhere Verkaufszahlen, bessere Gewinnspannen, mehr Geld… Wer klug investiert, kann besser verdienen!
Es entsteht also eine WIN-WIN Situation, von der eigentlich alle profitieren. Ist jedoch dieser – auf der Oberfläche – harmonische Eindruck auch wahr oder trügt er nur? Damit wir diese Frage beantworten können, müssen wir uns zuerst eine andere Frage stellen, und zwar: Sind die Ziele von den Wachsherstellern identisch oder mindestens im Einklang mit den Zielen der Sportler aller Art?
Die Antworten auf diese Fragen werden – befürchte ich – leider nicht so übersichtlich. Genug jedoch mit allgemeinen Aussagen. Ich fange mit einer Geschichte aus meiner Jugend an. Ich komme aus einem ehemaligen kommunistischen Land. Es ist zwar verwunderlich, aber auch hier wurden noch in der Zeit von Sozialismus Wachse und Zubehör von einem führenden Hersteller vertrieben. Ich war damals so 14 Jahre alt und mein Onkel war ein wichtiger Funktionär in einer Trainingsorganisation für junge Leistungssportler. Ich kann mich wie heute daran erinnern, wie bei jedem wichtigen Wettkampf der lokale Handelsvertreter von diesem führenden Hersteller aus Prag in seinem fetten Mercedes kam und kleine und größere Geschenke verteilte. Die Geschenke waren abgestuft, abhängig davon, wie hoch oder niedrig man in der Struktur der sozialistischen Organisation für Leistungssportler war. Die ganz niedrigen Funktionäre haben das bekannte BE Steigwachs gekriegt, die ganz großen Tiere mussten dagegen in einer dunklen Ecke auf dem Parkplatz den Kofferraum des neuen LADAs aufmachen, weil in die Hosentasche die Geschenke nicht reingepasst hätten.
Wer denkt, dass die westliche Firma damals die armen Sportler im Osten mindestens auf diese Art und Weise unterstützen wollte, trifft daneben. Die Leistungssportler waren ein Schaukasten von sozialistischen Ländern und wurden auch dementsprechend unterstützt. Mein Onkel hatte für Wachse und Zubehör so ein Budget, von dem man heute nur träumen kann. Und genau auf dieses reiche Budget kann wohl auch der lokale Vertreter des führenden Herstellers abgezielt haben. Der Spruch „Wer klug investiert, kann besser verdienen!“ wäre auch hier zutreffend.
Wer denkt, dass diese Praktiken zusammen mit dem Sozialismus ausgestorben sind, täuscht sich leider wieder. Es sieht so aus, dass nur die Kulissen angepasst wurden. Anstelle einer dunklen Ecke auf dem verlassenen Parkplatz, wo Wachse, Bürsten, Bügeleisen, Handschuhe, Jacken, Mützen, Stöcke und ähnliches aus dem Kofferraum des fetten Mercedes in den Kofferraum des nagelneuen LADAs überladen wurden, kann es wohl Schulungen, Seminare, Vorstellungen von neuen Produkten in den sonnigen Skizentren in den schönsten Ecken Europas und Amerikas geben, wo man schon einige Tage früher wegen der anstrengenden Anreise ankommen muss und wo man noch ein paar Tage länger bleiben muss, um sich von dem anstrengenden zweistündigen Vorstellungsprogramm des neuen Gleitwachses zu erholen, natürlich mit allen Familienmitgliedern, man will sich von seinen nächsten doch für so eine lange Zeit nicht trennen! Da das neue Wachs noch ausreichend unter unterschiedlichen Bedingungen getestet werden muss, kriegt jeder Schulungsteilnehmer noch ein paar Packungen mit nach Hause.
Welche Konsequenzen hat diese enge Einbindung von Service-Technikern in die Forschungs- und Testprogramme von Wachsherstellern, wie die heutigen Praktiken genannt werden. Leider fatale und – befürchte ich – noch schlimmere als damals in den Zeiten von Sozialismus. Wieso? Ich fange wieder mit einer persönlichen Erfahrung an. Konkrete Beispiele sind immer anschaulicher als allgemeine Aussagen. Vor einer Zeit habe ich eine Umfrage zum Thema „Verbot von Fluor-Wachsen“ im Internet gelesen. Gefragt wurden die besten tschechischen Service-Techniker, lauter Chefs von nationalen Service-Teams, einige davon auch in nationalen Service-Teams in anderen westlichen Ländern tätig. Das Fatale in den Aussagen von den angesprochenen Fachleuten war nicht die Inkompetenz und mangelnde Kenntnis der sinnvollen Anwendung von Fluorwachsen und deren Interaktion mit dem Schnee, sondern die hundertprozentige Übereinstimmung der Aussagen von führenden Fachleuten mit den Angaben in den Anleitungen von Wachsherstellern. Auch die führenden Fachleute / Service-Techniker wiederholen 1:1 nur das, was ihnen von den Wachsherstellern erzählt wurde. Keiner prüft nach, ob es sinnvoll, zweckmäßig, richtig, gut ist… Und das ist das Fatale! Den Wachsherstellern ist es durch die enge Einbindung von Service-Technikern in die Forschungs- und Testprogramme und durch diverse Schulungs- und Vorstellungsprogramme zum großen Teil gelungen, das wirkliche Fachwissen zu vertreiben, damit Theorien und Ansätze in den breiten Fachkreisen verbreitet werden können, von denen an erster Stelle wohl die Wachshersteller profitieren und die zu übermäßigem Verbrauch von Gleitwachsen, sinnloser Anwendung von Fluorwachsen und vielen anderen Effekten führen, die Umwelt belasten und Gesundheit von nicht nur Service-Technikern beschädigen.
Fazit
Die zu enge Zusammenarbeit mit den Wachsherstellern nimmt uns wohl den eigenen Verstand weg. Wir lassen uns für bissel Gold wie Marionetten führen und es stört uns dabei nicht einmal, dass unsere eigene Gesundheit höchstwahrscheinlich größeren Gewinnen geopfert wird. Mein Onkel hat zwar viele Geschenke angenommen, hat jedoch nie aufgehört, seinen eigenen Verstand zu nutzen. Er wusste noch, was gut und schlecht ist!